Nachlese „Orgel trifft Musikverein“

An fünf Sonntagen im Oktober wurde und wird in der Marienkirche ein facettenreiches Programm im Rahmen des 6. Mössinger Orgelherbstes geboten. Dabei spielt die Fischer und Krämer Orgel eine wichtige Rolle.

Ein Klangzauber

„Orgel trifft Musikverein“ lautete der Titel des zweiten Konzertes dieser Reihe am Sonntag, 17. Oktober, das einmal um 17 Uhr und ein weiteres Mal um 19 Uhr in der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt in Mössingen gespielt wurde. Das Hauptorchester des Musikvereins Mössingen unter Leitung von Simon Löffelmann gingen gemeinsam mit dem Organisten Jonathan Ferber eine klangliche Symbiose ein – die Orgel wurde zum Orchesterinstrument.

Dieser Titel lockte auch zahlreiche Gäste in die Mössinger Marienkirche. Eine Stunde später machte der lange anhaltende Applaus der Gäste eines klar: der Besuch hatte sich aus vielerlei Hinsicht gelohnt! Hierbei bot die eindrucksvolle Kirche dem Konzert einen perfekten Rahmen und Organist und Musiker verstanden es, diesen Rahmen mit musikalischem Leben zu füllen.

„Die Orgel gilt als Königin der Instrumente und ist das größte aller Musikinstrumente. Seit 2017 sind Orgelmusik und Orgelbau durch die UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Allein in Deutschland gibt es etwa 50.000 Orgeln“, so Jürgen Machann in seiner Eröffnungsrede. „Das Frequenzspektrum der Orgel reicht vom tiefsten Laut, den das menschliche Ohr wahrnehmen kann, bis in die höchsten Höhen. Dabei kann die Orgel sowohl verschwindend leise als auch markerschütternd laut klingen und das lässt sich mit einem Spieler mit keinem anderen Instrument so abbilden“, betont er zudem.

Bereits vier Jahre nach der Einweihung der neuen Marienkirche konnte die Fischer und Krämer Orgel am 3. Advent 1998 eingeweiht werden. Das Element „Stahlfachwerk“, welches das Dach der Marienkirche maßgeblich prägt, konnte zudem mit in die Orgel aufgenommen werden. Wenn man die Bezeichnung der einzelnen Pfeifen – Trompete oder Flöte 2 beispielsweise, dieser Orgel vernimmt, denkt man sogleich auch an ein Blasorchester mit seinen unterschiedlichen Registern.

Jonathan Ferber ist sowohl Organist und Chorleiter in der katholischen Seelsorgeeinheit Steinlach-Wiesaz. Ein Meister seines Faches – ihm bei der Spielfertigkeit auf den Tasten und Pedalen zuzusehen – ein toller Anblick.

Nach der Begrüßung durch Jonathan Ferber übernahm souverän und mit viel Geschick Jürgen Machann die Moderation des Programms und vermittelte zudem die notwendigen Hintergrundinformationen zu den einzelnen Musikstücken.

„Zwei verwandte Klangkörper“

Besser hätte es das Schwäbische Tagblatt in seinem Bericht nicht treffen können und „ein gelungenes Experiment“ bezeichnete es der Reutlinger Generalanzeiger. Mit dem festlichen Eröffnungsstück „Rigaudon“ – einem altfranzösischen Hof- und Gesellschaftstanz, aus der Oper „Iphigenie“ konnte das Publikum die tolle Kirchenakustik wahrlich genießen.

„Blasorchester und Orgel vereint“

Im zweiten Stück zeigte Jonathan Ferber die vielfältigen Klangmöglichkeiten der Fischer und Krämer Orgel in einem „Cortège“ aus dem „Pièces en style libre“ von Louis Vierne. Der nahezu blinde Pariser Organist und Komponist Louis Vierne war an der Orgel in der berühmten Notre Dame in Paris tätig. Ein majestätischer Geleitzug erfüllte den Raum.

„Von guten Mächten wunderbar geborgen“

Gefühlvoll und gleichzeitig überwältigend – mit der speziell arrangierten Version „von guten Mächten“ für Blasorchester des Komponisten Martin Scharnagl ging es im Programm weiter. Das geistliche Gedicht hierzu stammt von Dietrich Bonhoeffer, dass dieser in einem Brief an Maria von Wedemeyer aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin im Dezember 1944 schrieb. Das siebenstrophische Gedicht bezog sich auf seine persönliche Situation, eine gedrückte und ausweglose Situation, da er jederzeit mit seiner Hinrichtung rechnen musste. Obwohl Bonhoeffer den Tod vor Augen hatte, zeugt das Gedicht von einem tiefreligiösen Menschen, dessen Leben von einer großen Hoffnung und Gotteszuversicht geprägt war.

Grandios gespielt von Jonathan Ferber – die Suite Gothique von Léon Boellmann. Im ersten Satz ist der kirchliche Choral nachempfunden. Im zweiten Satz – dem Menuett, spürte man ganz deutlich den schwingenden Takt des romantischen Barocktanzes. Eindrucksvoll war dies auch über die Videoprojektion – bei der man dem Organisten förmlich auf die Füße sehen konnte, zu bestaunen. Im dritten Satz schwebte die Melodie und versetzte die Zuhörer in ein wohliges Gefühl. Mit der anspruchsvollen Toccata, bei der die Hände des Organisten, wie sie über die Tasten nur so flogen, sehenswert waren, endete diese Suite.

Ein Stück mit Lokalkolorit – Mit der „Hymne an die Nacht“ aus der Feder von Ludwig van Beethoven, zu der Friedrich Silcher in seiner Zeit als Musikdirektor der Eberhard Karls Universität Tübingen den Text schrieb, wurde es zudem himmlisch.

„Das große Tor“

Der Abschluss der musikalischen Bildergalerie bildet „Das große Tor von Kiew“ – und besser hätte dieser Konzertabend nicht enden können als in diesem brillant gespielten Stück. Orgel und Hauptorchester verschmolzen zu einem eindrucksvollen Klangkörper.

„Das große Tor von Kiew ist eine musikalische Präsentation dessen, was Mussorgsky auf einer Kunstausstellung in St. Petersburg gesehen hat“, so hierzu die einleitenden Worte von Jürgen Machann. Das Bild zeigt den Einzug der siegreichen Heere unter Glockengeläut und ist von dem national gesinnten Mussorgsky auch als Symbol des russisch imperialen Anspruchs gesehen worden, denn das Reich von Kiew galt nach der Ansicht dieser Kreise als der Nachfolger der oströmischen Kaiser von Byzanz.

Langanhaltender tosender Applaus war am Ende der verdiente Lohn für die vielen Probenstunden. Mit einer Zugabe „dem Largo“ aus der Triosonate von Johann Sebastian Bach und mit den Worten „bei keinem Kirchenkonzert darf ein Stück von Bach fehlen“, verabschiedete sich erst Jonathan Ferber. Als der letzte Ton verklungen war, folgte auch unsere Zugabe „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Selbstverständlich hatte der Hausherr das letzte Wort – den der Organist übernahm das Thema und führte es allein mit vielen Variationen und Improvisationen zu Ende.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Konzertbesuchern für die großzügigen Spenden bedanken!

„Musik als Geschenk“

In der Pause – das erste Konzert war zu Ende gegangen und nun folgte das freudige Warten auf das zweite Konzert dieses Abends.

Ein Genuss alles noch einmal spielen zu können und noch einmal die herrlichen Klänge der Orgel zu hören: „die Musik ist ein Geschenk“, so Simon Löffelmanns Worte.

Premiere

Für die Saxophonistin Lea Nill, die am vergangenen Donnerstag ihren 18. Geburtstag feierte und für die Hornistin Pia Schüler, die ihre musikalische Laufbahn beim Musikverein Hugstetten begann, stellte dieses besondere Kirchenkonzert eine Premiere dar. Herzlich willkommen an dieser Stelle im Hauptorchester und weiterhin viel Freude und Spaß bei den Proben und gemeinsamen Auftritten.

Doch nicht ohne Dank!

Ein solcher Konzertabend ist nämlich nicht möglich ohne die tatkräftige Unterstützung von allen Musikerinnen und Musikern, die in zahlreichen Probestunden unter kritischer Leitung und Führung des musikalischen Leiters Simon Löffelmann und der Vizedirigentin Bettina Härter, dieses Programm einstudiert hatten. Wir bedanken uns auch bei unserem Publikum sowie bei der katholischen Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt, dass wir an diesem Abend zu Gast sein durften. Ebenso möchten wir uns bei Tom Dieter und Jonathan Ferber und ihrem Team für die gelungene und gut abgestimmte Technik bedanken. Außerdem ein Dank an alle, die sich vor, während und nach dem Konzert in irgendeiner Weise eingebracht und so diesen besonderen Abend ermöglicht hatten.

Für uns war es ein zauberhafter Abend, den wir noch einmal als Gast im katholischen Gemeindehaus in gemütlicher Runde und verschiedenen Pizzen Revue passieren ließen.