Vereinschronik – 1925-1939
Vereinsgründung
In der Gründungsversammlung des Musikvereins 1899 Mössingen legte der Schriftführer Karl Haug am 26. Juli 1924 das erste Protokollbuch an. Darin ist zu lesen: „…, dass der Zweck des neu gegründeten Musikvereins vor allem darin bestehe, die seit nunmehr 25 Jahren bestehende Musikkapelle jederzeit zu unterstützen.“
Diese neue Organisationsform deutet zudem daraufhin, dass es finanzielle Sorgen gab. Die Gründungsmitglieder wollten der Musikkapelle eine sichere und erfolgreichere Zukunft offerieren.
Vorsitzende seit Vereinsgründung 1924
1. Vorsitzende | Stellvertreter (2. Vorsitzende) | |
1924 – 1925 | Lehrer Albert Zäh | Gemeinderat Wagner |
1926 – 1927 | Herr Wecker | Gemeinderat Wagner |
1927 – 1928 | Bernhard Müller | Ludwig Sauter |
1928 – 1931 | Wilhelm Hartmayer | Martin Maier |
1931 – 1939 | Wilhelm Hartmayer | Otto Nill |
1947 – 1950 | Karl Sulz | Fritz Haap |
1950 – 1952 | Wilhelm Priester | Karl Sulz |
1952 – 1954 | Karl Vogt | Karl Sulz |
Musikalische Leiter der Musikkapelle seit Vereinsgründung 1924
1924 – 1927 | Postsekretär Großmann |
1927 – 1928 | Herr Wecker (ehem. Vorsitzender) |
1929 – 1931 | Emil Karg |
1931 – 1932 | Karl Mayer |
1933 – 1939 | Emil Karg |
Anschluss an den Süddeutschen Musikverband
Im Januar 1931 – mit einem wöchentlichen Beitrag von 15 Pfennig – schloss sich der Musikverein Mössingen dem süddeutschen Musikverband an.
Die ersten Klarinetten
Zur Herbstfeier 1927 wurde von vier Aktiven der Wunsch geäußert auf der Klarinette ausgebildet zu werden. Herr Wecker unterstützte diesen Wunsch, gab aber zu bedenken, da er mit diesem Instrument nicht bewandert sei, dass dann ein anderer Dirigent gewählt werden müsste. Aus diesem Grund wurde dieser Wunsch und der Kauf der neuen Holzblasinstrumente nochmals zurückgestellt. Nur David Sulz kaufte sich aus eigenen Mitteln eine Klarinette.
Wunsch nach Einigkeit
In jener Zeit führte auch in Mössingen die Weltwirtschaftskrise zu hoher Arbeitslosigkeit und großer Not. Das politische Klima wurde deutlich rauer und die sozialen Gegensätze verschärften sich. In der dörflichen Lebenswelt der Arbeiter, Handwerker und Kleinbauern hatten sich die Anhänger der KPD immer mehr durchgesetzt.
All dies ließ den Wunsch unter den aktiven Musikern nach Einigkeit, Einheit und Sicherheit immer lauter werden.
Einheitliches Erscheinungsbild
Musikalisch gut aufgestellt, konnte es nun an die Planungen für das 30-jährige Gründungsfest gehen. Da die Vereinsmitglieder alle der Ansicht waren, es mache einen besseren Eindruck, wenn die Musikkapelle mit einheitlichen Uniformen in Erscheinung treten würde, wurden extra für dieses Fest 11 Joppen zum Preis von 59,20 Mark angeschafft.
Die Weihnachtsfeiern – Forum für traditionelle und neue Kunstformen
Die Weihnachtsfeiern, die seit 1924 im Protokollbuch immer wieder ausführlich beschrieben werden und auch in den Jahren zuvor ähnlich angegangen wurden, zogen bisweilen ein sehr großes Publikum an. Sie waren über die Ortsgrenzen hinaus bekannt und wurden in der Steinlachzeitung und zusätzlich mit der Ortsschelle bekanntgegeben. Der Beliebtheitsgrad war sehr hoch und nicht selten mussten sie sogar wiederholt werden.
Die Weihnachtsfeiern waren scheinbar unpolitische Feste, die der Musikverein in Mössingen abhielt und standen sehr stark in der Tradition dörflicher Festkultur. Die Erwartungen der Festbesucher, einer Feier beizuwohnen, deren Ablauf und die damit verbundenen Aufführungen sich im Wesentlichen an traditionelle Muster anlehnten, musste auf jeden Fall erfüllt werden. Erst der Beweis die überlieferten Formen zu beherrschen, berechtigte auch dazu, andere, neue Elemente ins Programm aufzunehmen.
Die Weihnachtsfeier wurde in der Regel vereinsintern ausgerichtet, sehr oft beteiligten sich aber auch andere Vereine daran, um das Festprogramm attraktiver zu gestalten. Das reichhaltige Programm beschränkte sich nicht allein auf musikalische Aufführungen, es wurden auch Theaterstücke, die Bildungscharakter hatten und Gesangsdarbietungen aufgeführt. Nicht wegzudenken war die Lotterie. Immer dabei waren der Arbeiterliederkranz und natürlich die Streichmusik. Hier zeigte sich auch die Solidarität der Arbeitervereine untereinander.
Doch ab 1927 ließ der Besuch zunehmend zu wünschen übrig. Die Einwohnerschaft von Mössingen zeigte, so der Vorstand Wilhelm Hartmayer, kein Interesse mehr für die Musik. In der Generalversammlung vom 20. Januar 1929 hatte er hierzu sogar noch deutlichere Worte: „…, es sei eine Blamage für eine so große Ortschaft wie Mössingen, wenn so wenig Interesse für eine solche Sache wie die Musik sei“.
Vielleicht ein wenig ungerecht den Mössingern gegenüber, da die vorherrschende wirtschaftlich schlechte Lage, kaum Geld für Extraausgaben übrigließ. Aber andererseits erhielt das 1920 gegründete Arbeitersportkartell schon fünf Jahre später die größte Halle in der Umgebung – die Langgaß-Turnhalle! Diese entwickelte sich zu einem richtigen Kulturzentrum, dass ebenfalls ein großes Publikum anzog. Vor allem die Dorfjugend wurde von der Turnhalle und den Veranstaltungen dort magisch angezogen.
Politische Neutralität im sozialistischen Milieu
Der Zusammenschluss mit der Streichmusik wurde erstmals am 6. Juni 1930 in einer Ausschusssitzung beraten. Hierzu kam es allerdings zu heftigen Auseinandersetzungen unter den aktiven Mitgliedern. Martin Müller äußerte sich sogar dahingehend, dass er aus politischen Gründen austreten würde. Unter diesen Umständen sah der Vorstand das Ziel der Sitzung verfehlt und brach diese ab. Einen Monat nach dieser denkwürdigen Ausschusssitzung gelang dem Musikverein mit ihrem Vorsitzenden Wilhelm Hartmayer etwas Einzigartiges zu etablieren. Die Vereinigung von Blech- und Streichmusik.
Und wie es so schön im Protokollbuch steht, wurde damit „der Grundstein für eine neutrale, jeder politischen Strömung fernstehende Kapelle gelegt“. Nur das eine Ziel sollte verfolgt werden: „Der Öffentlichkeit musikalische Genüsse zu bieten“.
Zukunftsweisende Entscheidungen
Als sehr weise Entscheidungen stellte sich der Zusammenschluss zwischen Blech- und Streichmusik zu einer politisch neutralen Musikkapelle sowie dem Beitritt zum süddeutschen Blasmusikverband im Nachhinein heraus. Damit konnte dem übermächtig scheinenden Arbeitersport- und Kulturkartell (ASK) etwas entgegengesetzt werden. Dass es in diesem Bezug immer wieder zu Spannungen innerhalb der Mitglieder kam, zeigt die Teilnahme am Kinderfest des ASK im April 1932.
Einige andersgesinnte aktive Mitglieder hatten daran nämlich nicht mitgewirkt. Vorstand Wilhelm Hartmayer vertrat in der darauffolgenden Ausschusssitzung eine klare Meinung. Eine neutrale Kapelle durfte seiner Ansicht nach, keine Unterschiede machen und sich jedem anfragenden Verein zur Verfügung stellen. Zudem ließ er es denjenigen Aktiven, welche glaubten nicht überall mitmachen zu können, offen von der Kapelle zurückzutreten. Was keiner tat.
Neue Uniformen
Alle Mitglieder – ob Aktiv oder Passiv – waren mit den Festvorbereitungen zum 40. Gründungsfest betraut und die Vorfreude auf dieses Großereignis liest sich aus jeder Zeile des Protokollbuches heraus. Diesmal sollte aber auch alles perfekt verlaufen und nicht wieder ins Wasser fallen wie die 30-Jahr-Feier. So wurde der Kalender zur Hand genommen und auch der Mond mit seinen verschiedenen Phasen auf das genaueste beobachtet. Zusätzlich wurden die alten Bauernregeln hervorgeholt und Wahrsager befragt.
Während sich der Ausschuss noch über das genaue Datum die Köpfe zerbrach, brachte Herr Rupp die 40-jährige Vereinsgeschichte zu Papier und druckte 50 Plakate für den Aushang an den Litfaßsäulen in den umliegenden Ortschaften.
Letztendlich wurde aber das perfekte Datum gefunden, denn alle Vorhersagen deuteten auf Sonntag, 4. Juni 1939 hin.
Für die Regelung des Festzeltes fühlte sich Kronenwirt Heinrich Fischer verantwortlich, der erstmalig auch als Bierlieferant genannt wurde.
Richtige Uniformen mussten her, denn diesmal wollten die Musiker nicht nur in einheitlichen Joppen im Festumzug mitmarschieren. Nein, diesmal war der Wunsch nach mehr vorhanden. Es mussten Uniformen mit Schwalbennestern sowie schwarzen Hosen mit weißen Streifen her. Der Kappenmacher Karl Steinhilber sorgte für die entsprechende Kopfbedeckung.
Leider waren die gewünschten schwarzen Hosen mit den weißen Streifen nicht zu bekommen gewesen und so mussten weiße Hosen während des Umzuges herhalten.
Großer Erfolg in der Mittelstufe
Mit einem Ständle in der Abenddämmerung überraschte der Musikverein Mössingen am Sa. 15. Juli 1939 Herrn Fabrikant Merz in Herbrechtingen. Dieser Ort lag auf direktem Weg zu den Volksmusiktagen in Heidenheim und somit auch eine willkommene Einkehrstätte.
Am Sonntagvormittag nahm die Musikkapelle am Wertungsspiel in der Kategorie „Mittelstufe“ mit einer Ouvertüre von Emil Dörle teil. Emil Dörle – Dirigent der Stadtmusik Herbolzheim – erlernte im Selbststudium die Grundlagen der Komposition und zählte 1926 zum Mitbegründer des Bundes Südwestdeutscher Musikvereine. Im Herbst 1929 erschien über diesen Verband erstmals ein Verzeichnis von Musikstücken, die für Preisspiele geeignet waren. Neben Bearbeitungen von Werken großer Meister, die den Hauptanteil im Repertoire der Blaskapellen ausmachten, fanden sich darin auch die ersten Originalkompositionen. So auch die gewählte Ouvertüre „Arbeit, Ehre, Vaterland“. Die Wertungsrichter bescheinigten der Musikkapelle aus Mössingen für den sehr guten Vortrag die Auszeichnung „mit großem Erfolg“.
Nach der herausragenden Leistung beim Wertungsspiel am 15. Juli 1939 in Heidenheim folgte wenige Wochen darauf der Kriegsausbruch. Das Vereinsleben des Musikvereins wurde in dieser Zeit ziemlich lahmgelegt. Eine letzte Generalversammlung erfolgte am Mittwoch, 07. Februar 1940 noch in der Silberburg mit der Festlegung, die erste Übungsstunde – nach Ausbruch des Krieges – am Mittwoch, 14. Februar 1940 abzuhalten.