Nun steht er wieder – der Maibaum!

Genug von dem Regen dachte sich wohl Petrus und ließ den letzten Abend im April doch noch mit Sonnenschein ausklingen. Zwar war es noch sehr kalt, trotzdem lockten diese Sonnenstrahlen zahlreiche Besucher in die neue Stadtmitte, die an diesem Tag ihre Bewährungsprobe hatte.

Vom alten Marktplatz zur neuen Stadtmitte

Auch zum Umzugsbeginn um 17:30 Uhr fanden sich sehr viele Zuschauer entlang der Falltorstraße ein. Gespannt warteten sie alle auf den langen Zug mit dem Maibaum. Dieser setzte sich nach der „Locke“ und dem Abriss des musikalischen Leiters Simon Löffelmann in Bewegung. Leichten Schrittes und mit flotten Märschen marschierten nun die Musiker des Musikvereins von der Langgaß-Schule (dem ehemaligen Viehmarkt) los, über die Falltorstraße bis hin zur neuen Stadtmitte. Sie geleiteten so Bruno Reutters prachtvolles Pferdegespann ganz standesgemäß bis zu seinem Bestimmungsort.

Die Umzugsstrecke führte entlang der altehrwürdigen Schild- und Schankwirtschaften. Wirtschaften waren in Mössingen schon früh ein wichtiger Gewerbezweig und gesellschaftlicher Trefflpunkt. Hier lernte man durch die Reisenden Land und Leute kennen und erfuhr, was außerhalb des Ortes in der Welt vorging. Hier saßen die Bauern und Handwerker beim Dämmerschoppen nach Feierabend oder an Sonntagen nach der Kirche zusammen und besprachen die Gemeindeereignisse. Bis heute zeugen diese stattlichen Häuser von dieser Zeit. Wie die älteste Schildwirtschaft – die alte Krone (heute Schuhhaus Wagner) zu Beginn des Umzuges! Aber auch der Ochsen durfte seit 1750 ein Schild führen.

Die Umzugsstrecke führte von der Schildwirtschaft Ochsen vorbei am ehemaligen Gasthaus Schwanen – heute ist hier das Schwäbische Tagblatt untergebracht.

An den Ufern der Steinlach entlang kamen wir noch an vielen ehemaligen Wirtschaften vorüber. So u. a. den alte Löwen, der 1874 von dem Fuhrmann und Tübinger Boten Jakob Schanz erworben wurde. Früher gab es in Mössingen einen Reutlinger, einen Rottenburger und einen Tübinger Boten, die mit ihren Pferdefuhrwerken regelmäßig die genannten Orte anfuhren. Ein weiterer Bote fuhr zweimal in der Woche nach Stuttgart. 1910 wurde der Nachkomme von Jakob Schanz, Gottlieb Schanz von der Tübinger Eisenbahnbetriebsinspektion als Rollfuhrunternehmer für Mössingen unter Vertrag genommen. Dem ehemaligen Güterbeförderer Rolf Schanz, der den Musikverein viele Jahre mit seinem Lastwagen bei den Altpapiersammlungen unterstützte, konnten wir an diesem Tag auch seine Ehrung für die 40-jährige fördernde Mitgliedschaft überreichen.

Schließlich war der lange Zug mit dem Maibaum an seinem Bestimmungsort angekommen. Dort nahmen die kräftigen Männer des Original Steinlachtaler Fasnetsvereins den langen Stamm einer Tanne in Empfang. So ganz ohne Maschinenkraft ging es nun weiter. Die Schwalben wurden gekonnt angelegt und der Maibaum Stück für Stück in die Höhe gestemmt. Das ist gar nicht so einfach, denn jeder Schritt muss auf das genaueste überwacht und durchdacht sein.

Viele Besucher sah die neue Stadtmitte an diesem doch etwas kühlen Abend. Nach zweijähriger coronabedingten Zwangspause sind viele wieder in Feierlaune und die erste Rote Wurst ließ man sich gut schmecken und genoss ein kühles Getränk dazu.

Mit aufmunternden Weisen unterstützte das Hauptorchester des Musikvereins die Arbeit der starken Männer. Es dauerte daher auch gar nicht so lange bis der schwere Maibaum richtig aufgestellt war und senkrecht stand. Dies unterstrichen die Schützen des Schützenvereins mit 18 Böllerschüssen.

Im Anschluss daran unterhielten die „MusicKids“ unter der Leitung von Ralph Kluge die Besucher auf dem Rathausplatz anschließend mit Stücken aus ihrem neuem Repertoire. Nach dem sich die „MusicKids“ mit einer Zugabe von ihrem Publikum verabschiedeten hatten, übergab Ralph Kluge den Dirigentenstab an Michelle Duppke.

Ein bisschen aufgeregt waren die „Da Capo Kids“ mit ihrer Dirigentin Michelle Duppke bei ihrem ersten Auftritt, denn es immer sehr aufregend vor so vielen Festbesuchern zu spielen. Man möchte sein Bestes geben und möglichst keinen einzigen Fehler dabei machen. Schließlich sitzen da ja nicht nur die Eltern, die Geschwister und die Großeltern unter den Gästen. Doch die „Da Capo Kids“ zeigten bravourös ihr Können und ernteten viel Lob, Anerkennung und natürlich Applaus.

Das musikalische Programm wurde nach dem Auftritt der Nachwuchsmusikerinnen und -musiker nun vom Hauptorchester des Musikvereins Mössingen bis zur einsetzenden Dämmerung fortgesetzt. Mit den „Adelhausener Impressionen“, den „80-er-Kulthits“ oder dem Marsch „Kaiserin Sisi“ erklangen endlich wieder Blasmusikklänge unter freiem Himmel. Mit dem „Mussinan Marsch“ grüßte wir unserem aktiven Musiker Karl Steinhilber und freuen uns schon darauf, wenn seine „Wirtschaft im Probelokal“ wieder eröffnet wird.

Viele Augen folgten aber auch dem weiteren Geschehen rund um den Maibaum. Denn da tat sich noch eine ganze Menge. Hoch oben im Steiger standen Dietmar Hoffmann und Alexander Wildner, um noch letzte Hand anzulegen und den Baumschmuck anzubringen.

Nun wiegt sich der Maibaum wieder sanft im Wind mit seiner grünen Girlande, dem Ring aus Tannenzweigen und den rot-weißen Bändern und wir hoffen, dass unser Baum auch in diesem Jahr wieder viel Freude bereitet und im Wonnemonat Mai viele sonnige Stunden in der Stadtmitte erleben darf!

Wir bedanken uns bei all unseren Gästen, die sich an diesem Tag auf den Weg zur neuen Stadtmitte gemacht haben, für die Bereitstellung der Knax-Hüpfburg (Kreissparkasse Tübingen), die von den zahlreichen Kindern freudig in Beschlag genommen wurde, allen Helfern des Original Steinlachtaler Fasnetsvereins sowie allen Helfern bei der Bewirtung und der Nachtwache, die bis in den Morgen ausharrte, um dem alten Brauch des nächtlichen Maibaum-Absägens entgegenzuwirken.

Viele Besucher interessierten sich aber auch für die Schilder, die am Stamm des Maibaums angebracht wurden: „Was bedeuten denn diese Schilder am Maibaum?“ Es handelt sich hierbei um die Zunftzeichen des Handwerks.

Aber der Maibaum steht auch für den Wohlstand eines Dorfes und für bürgerliches und gemeinschaftliches Bewusstsein. Die Tafeln stehen für die einzelnen Handwerkszünfte (Zimmerer, Flaschner, Elektriker, Metallarbeiter, Feuerwehr, Maler, Küfer, Gipser, Dachdecker, Schmied, Schreiner und Bäcker).